Luzhou ist in Sichuan für seinen Schnaps berühmt, von dem wir etwas bei unserem Couchsurfing-Gastgeber probieren konnten. Wir ahnten jedoch nicht, dass Schnaps ein wiederkehrendes Thema auf unserem Weg in die nächste Provinz, Guizhou, sein würde. Wir waren jedoch weniger vom Schnaps berauscht, als von den schönen Naturlandschaften, die uns erwarteten.
Von Luzhou aus radelten wir auf kleinen Dorfstraßen in die Berge hinauf, bis wir die Stadt Chishui erreichten, unsere erste Stadt in der Provinz Guizhou und Ausgangspunkt für Touren in der Chishui-Danxia-Tourismusregion. Um dieses große, dicht bewaldete Areal mit seinen engen und tiefen Tälern und hunderten Wasserfällen ordentlich zu erkunden, hätten wir gut ein paar Tage gebraucht (und auch für jede Sehenswürdigkeit separat Eintritt zahlen müssen). Nach sorgfältiger Abwägung entschieden wir uns dafür, nur den Großen Wasserfall von Chishui zu besichtigen und den Touristenbus zu nehmen, um uns den 17km langen Umweg bergauf zu dem Park zu ersparen. Vom Eingang des Parks führte ein schöner, 4,5km langer Wanderweg entlang eines bewaldeten Flusstals mit nur sehr wenigen Menschen (da die meisten Besucher den internen Shuttle-Bus nehmen) vorbei an einem weiteren schönen Wasserfall zum imposanten Großen Wasserfall. Dieser zählt mit seiner Höhe von 76m und Breite von 81m zu den größten in China.
Schönheits-Kamm-Wasserfall im Touristengebiet des Großen Wasserfalls von Chishui
Chishui ist auch Startpunkt eines Radweges, der für 150km entlang des Chishui-Flusses nach Maotai führt. Hannah war bei der Planung durch Zufall auf diesen Radweg gestoßen und uns war sofort klar, dass wir diesen Gücksfund voll ausnutzen mussten - und er stellte sich als noch besser als erwartet heraus! Er war nicht nur in gutem Zustand und bot alle paar Kilometer Rastplätze, sondern war auch ordentlich von der Straße abgetrennt und verlief manchmal sogar auf einer eigenen, erhöhten Spur, auf die Autos und Motorräder nicht so einfach fahren konnten - was auf den anderen "Radwegen", auf denen wir in China zuvor unterwegs waren, gang und gäbe war. Und obendrein führte der Radweg durch ein wunderschönes Tal voller Bambuswälder, Wasserfälle, alter Städtchen und Aussichtspunkte. Überrascht waren wir jedoch von der großen Zahl an Kameras entlang des ziemlich leeren Radwegs, den weitesten Ausläufern des allgegenwärtigen Überwachungssystems, das wir im Land vorgefunden haben.
Hannah fährt ab jetzt dieses Fahrrad, das wir am Radweg entlang des Chishui-Flusses gefunden haben!
Der Radweg entlang des Chishui-Flusses führt durch die Alte Stadt von Tucheng
In China ist der Chishui-Fluss auch für seine historische Rolle in der kommunistischen Revolution bekannt. Während des Langen Marsches zog sich die Erste Rote Armee unter Mao Zedong entlang des Flusses zurück, überquerte ihn dabei viermal und entkam so der Umzingelung durch die nationalistische Kuomintang-Armee von Chiang Kai-Shek. Auch wenn es sich um einen militärischen Rückzug handelte, werden die Ereignisse von vielen Chinesen als Heldentaten gesehen, da sie Beharrlichkeit und Hingabe der Roten Armee unter Beweis stellten und es ihr ermöglichten, sich anschließend neu zu gruppieren und die Kuomintang zum Rückzug nach Taiwan zu zwingen.
Der Spitzname des Chishui-Flusses ist "Fluss des schönen Alkohols", da in dem Tal mehrere bekannte Destillerien beheimatet sind. Ab Xijiu roch die Luft oft deutlich nach fermentiertem Getreide, auch wenn wir nicht immer den Ursprung des Geruches ausmachen konnten. Als wir am Ende des Radweges ankamen, betrauerten wir das Ende mit einer Flasche Maotao hatten wir die Stadt Maotai erreicht, in der Chinas bekannteste Destillerie angesiedelt ist. Maotai wird auch als "Nationaler Schnaps Chinas" bezeichnet, und die ganze, gleichnamige Stadt ist mittlerweile eine AAAA-Touristenattraktion, voll gestopft mit Schnapsläden und Hotels. Die eigentliche Destillerie (ein riesiger Komplex) konnten wir nicht besichtigen, sondern nur ihr Ausstellungszentrum, das sich hauptsächlich auf verschiedene Aspekte der chinesischen Trinkkultur konzentriert, aber in einem Bereich auch den höchst arbeitsintensiven und spezialisierten Herstellungsprozess erklärt. Die Bar war jedoch geschlossen und wir wollten sicher nicht eine ganze, teure Flasche für uns allein kaufen, so dass wir den Schnaps noch nicht probiert haben.
Der Maotai-Schnaps strömt aus einer riesigen Flasche inmitten der Stadt
Maotai, der Schnaps für alle wichtigen Anlässe in China
Weiter von Maotai in Richtung Süden mussten wir leider wieder auf der Straße fahren, die glücklicherweise nicht zu voll war, dafür aber sehr bergig (schwerer als der Schwere Weg nach Shu) und nicht so malerisch wie zuvor. In Kombination mit dem kalten und bewölkten Wetter sorgte dies für einige anstrengende und unmotivierte Tage. Selbst wenn die Winter im Süden Chinas nicht so kalt sind, haben die Häuser hier selten Isolierung oder Zentralheizung und die Innentemperaturen sind im Endeffekt die gleichen wie draußen (oft unter 10°C). Die Einheimischen behalten gegen die Kälte ihre dicken Jacken auch im Haus an und sitzen um einen kleinen Tisch mit einem Ofen darunter herum, der ihre einzige Wärmequelle ist. Nach einem langen Tag auf dem Fahrrad in der Kälte, mögen wir es normalerweise in den Abenden gerne warm, aber einige Hotelzimmer blieben trotz heizen mit voller Leistung der Klimaanlage kalt, als ob die Klimaanlage versuchen (und versagen) würde, das ganze Hotelgebäude aufzuwärmen. Wir wissen natürlich, dass die chinesische Art umweltfreundlicher ist, aber dies ist eine Annehmlichkeit der Ersten Welt, an deren Verzicht wir uns wirklich nicht gewöhnen können.
Unsere Fahrt verlief auch nicht ganz reibungslos. Am ersten Tag nach Maotai brach eine der Speichen in Heikos Hinterrad auf einem holprigen Straßenabschnitt neben einer Baustelle. Um die Speiche zu ersetzen, mussten wir die Kassette entfernen, was eine der wenigen Arbeiten ist, für die wir keine Werkzeuge dabei haben. Um die Belastung des Hinterrades zu verringern, bis wir einen Fahrradladen finden würden, montierte Heiko seine schweren, nicht ausbalancierten Packtaschen am vorderen Gepäckträger, was für ein paar Tage zu einem eher merkwürdigen Fahrverhalten führte. Am zweiten Tag nach Maotai wollten wir eigentlich von Jinsha nach Qianxi radeln, aber kamen in den endlosen Hügeln so langsam voran, dass wir, als wir am frühen Nachmittag durch eine kleine Stadt kamen, beschlossen, dort Feierabend zu machen, da wir ausgerechnet hatten, dass wir es an dem Tag nicht mehr bis Qianxi schaffen würden. Der nächste Tag ging für Hannah auf dem falschen Fuß los - sie verstauchte sich den Knöchel. Nachdem wir langsam ein paar Kilometer gefahren waren, versuchten wir, stattdessen per Anhalter nach Qianxi zu kommen, warteten letztendlich jedoch für eine Stunde vergeblich in der Kälte, bevor wir doch mit dem Fahrrad weiter fuhren. Nach der langen Warterei ging es unerwartet lang bergab, währenddessen Heiko aufgrund der Kälte verkrampfte und zusammenbrach. Immerhin fanden wir, als wir endlich in Qianxi ankamen, einen freundlichen Fahrradladen, bei dem wir uns die Werkzeuge ausleihen konnten, um die gebrochene Speiche zu ersetzen. Dann waren wir so erschöpft, dass wir einen extra Tag Pause in der Stadt eingelegten.
Als wir uns wieder auf den Weg machten, war das Wetter etwas wärmer und sonniger und wir radelten über eine immer noch bergige, aber doch interessantere Straße vorbei an einem großen Stausee zur Zhijin-Höhle. Diese riesige Höhle ist 13,5km lang, wovon ca. 4km besichtigt werden können, und soll die größte freitragende Höhlendecke weltweit besitzen. Auf dem Weg durch die Höhle kamen wir durch eine Kammer nach der anderen, voller fantastischer Tropfsteinformationen. Was für eine spektakuläre, unterirdische Welt! Entlang der Route standen in regelmäßigen Abständen Tafeln mit Hinweisen, was für Figuren man in den verschiedenen Formationen erkennen könne. Einige erkannten wir so auch, für andere hatten wir jedoch unsere eigenen Interpretationen. Da wir in Weihnachtsstimmung waren, erkannten wir in manchen Stalagmiten den Weihnachtsmann, seine Elfen oder Weihnachtsbäume. Inmitten solch natürlicher Schönheit waren wir jedoch traurig (aber nicht überrascht), dass einige chinesische Touristen in der Höhle rauchten (trotz der Verbotsschilder überall), spuckten und die Tropfsteine anfassten, was alles das Wachstum dieser Formationen beeinträchtigt.
Ein Tiger fletscht in der Zhijin-Höhle seine Zähne
Erstaunliche Weihnachtsbaum-förmiger Stalagmit in der Zhijin-Höhle
Der "Oberherren-Helm" im "Mondpalast" in der Zhijin-Höhle
Eine beeindruckende Sammlung riesiger Stalagmiten-Formationen in der Zhijin-Höhle
Die Höhle gehört zu einer größeren Karst-Landschaft - mit Sinkhöhlen, natürlichen Bögen, steilen Klippen und tiefen Schluchten - die wir auch sehr beeindruckend fanden. Durch diese Landschaft führte ein weiterer, netter Radweg von unserem Hotel fast die ganze Strecke bis zur nächsten Stadt, Zhijin. Dort ließen wir die Berge erstmal Berge sein und fuhren mit dem Bus direkt in die Provinzhauptstadt Guiyang.
Autobahnbrücke über die Schlucht des Liuchong-Flusses in der Nähe der Zhijin-Höhle
Karst-Landschaft (und Radweg!) entlang der Straße von der Zhijin-Höhle zur Stadt Zhijin
Guiyang ist nicht sehr fahrradfreundlich und unser Bus endete leider an dem Ende der Stadt, dass der Wohnung unserer Couchsurfing-Gastgeber komplett gegenüber lag. Also mussten wir quer durch diese hügelige Stadt radeln, durch eine Kombination aus Staus (von denen einer der größeren zu IKEA führte) und eine Anzahl von Tunneln, in denen Radfahren offiziell verboten ist, wir jedoch keinen anderen Weg sahen, als einfach durchzusprinten. Mit Erleichterung erreichten wir schließlich unsere Couchsurfing-Gastgeber, eine nette, kanadisch-chinesische Familie, bei der wir drei Nächte wohnten. Wir nutzten die Zeit, um zu entspannen, etwas die Stadt zu erkunden, den vorherigen Blogeintrag zu veröffentlichen und unsere Pläne für unsere letzten Wochen in China zu überarbeiten.
Jiaxiu-Turm, ein Wahrzeichen und kulturelles Symbol Guiyangs