Was wir immer zuerst brauchen, wenn wir in ein neues Land kommen, ist die lokale Währung. Bisher haben wir einfach vom Geldautomaten abgehoben, aber im Iran können Kreditkarten nicht genutzt werden (da sie alle amerikanisch sind) und man muss Bargeld wechseln. Das ist nicht so simpel, wie es sich anhört. Es gibt zwei Wechselkurse: den offiziellen und den des freien Marktes. Der offizielle Wechselkurs wird von der Regierung festgelegt und wird von den Banken verwendet. Der des freien Marktes ist ca. 3 mal so gut wie der offizielle Kurs, und man bekommt ihn in offiziellen Wechselstuben und auf der Straße bekommt. Natürlich haben wir auf dem freien Markt gewechselt. Das war jedoch noch nicht das Ende der Geschichte. Die offizielle Währung ist Rial, aber die meisten Leute nennen Preise in Toman, wobei 1 Toman = 10 Rial. Da selbst günstige Dinge ein paar tausend Toman kosten, lassen einige Leute die Tausend weg und sagen z.B. "30 Toman" wenn sie 30 000 Toman = 300 000 Rial = ~2 Euro meinen. Dann explodiert uns der Kopf.
Der nördliche Teil des Irans, am Kaspischen Meer, ist einer der am dichtesten bevölkerten Teile des Landes und dementsprechend ist auf den Straßen normalerweise viel Verkehr. Unser erster Radeltag im Iran war außerdem der letzte Tag von Novruz, dem persischen Neujahrsfest. Dieser Tag wird auch als Tag der Natur gefeiert und fast jeder verlässt die Stadt für ein Picknick in einem Park, Wald oder an einem See. Weil alle dies mit dem Auto tun, waren die Straßen noch voller als sonst und wir waren mit unseren Fahrrädern neben einer endlosen Schlange aus lauten Autos, die auch noch oft zum Gruß hupten, unterwegs. Daher konnten wir die Natur am Tag der Natur nicht so sehr genießen. Nichtsdestotrotz war die Landschaft ziemlich schön und die Reisfelder neben den steilen, grünen Bergen erinnerten uns etwas an Südost-Asien.
Überflutete Reisfelder und das Elburs-Gebirge zwischen Astara und Talesh
Auf dem Weg nach Bandar-e Anzali am nächsten Tag trafen wir am Eingang zur Stadt auf einen iranischen Radfahrer und wir kamen ins Gespräch. Er lud uns zu sich nach Hause ein, was wir jedoch höflich ablehnten, da wir bereits über Warmshowers einen Gastgeber gefunden hatten. Wir fuhren jedoch zusammen weiter, da sein Haus in der gleichen Richtung lag und wir stellten ihm die Warmshowers-Internetseite vor, woraufhin er enthusiastisch ankündigte, sich dort anzumelden. Als wir zusammen in die Stadt fuhren, fragte er uns mehr über unseren Gastgeber und ob wir ihn auf der Straße erkennen würden. Offensichtlich würden wir ihn nicht erkennen, da uns langsam dämmerte, dass er unser Gastgeber war und er uns hereingelegt hatte :O
Wir wollten in Anzali einen Tag Pause machen, aber unser Gastgeber hatte andere Pläne für uns. Wir haben einen Spaziergang am Hafen im Stadtzentrum gemacht und er hat uns alle möglichen guten (vegetarischen) iranischen Gerichte vorgestellt. Es war außerdem Heikos Geburtstag, daher kauften wir einen großen Kuchen, den wir mit seiner Familie teilten!
Alles Gute zum Geburtstag, Heiko!
Von Anzali verließen wir das Kaspische Meer um das Elburs-Gebirge zu überqueren. Wir nahmen die Straße von Rasht nach Kaswin, wahrscheinlich eines der meistbefahrensten Täler durch die Berge, mit einer Autobahn, einer alten Straße und einer neuen Bahnstrecke. Wir nahmen die alte Straße, die weniger Tunnels und Verkehr hatte. Allerdings war der Großteil des Verkehrs LKW, da diese nicht auf die Autobahn durften.
Unsere erste Nacht an dieser Straße wollten wir im Wald von Saravan zelten, aber wurden am Wachhaus angehalten und aufgeklärt, dass dies nicht erlaubt sei. Die freundlichen Aufpasser luden uns jedoch ein, stattdessen in ihrem Büro zu schlafen und nahmen uns nachts mit auf eine Tour durch den Wald, als sie durch den Park fuhren um nach unerlaubten Campern Ausschau zu halten.
Für unsere dritte Nacht auf dieser Straße beschlossen wir, in einem verlassenen Gebäude zu zelten, da Starkregen vorhergesagt war. Der Ort erschien uns zunächst einigermaßen akzeptabel und wir sahen keine bessere Optionen. Nachdem wir jedoch unser Zelt aufgebaut hatten und die Sonne untergegangenen war, bemerkten wir, dass Licht aus einem Fenster eines Raumes schien, der uns vorher nicht aufgefallen war! Also blieben wir extra leise in unserer dunklen Ecke und wurden nicht entdeckt, da unser einsiedlerischer Mitbewohner nie den Raum verließ, aber Heiko war etwas paranoid, bis wir am nächsten Morgen wieder aufbrachen.
Der nächste Tag begann mit dem letzten Stück bergauf über die Elburs-Berge und dann folgte ein langer, leicht abfallender Abschnitt auf das Iranische Hochland. Der Iran liegt zum allergrößten Teil auf diesem Plateau, auf einer Höhe von ca. 1000m über dem Meer, und die Landschaft wurde sichtbar trockener, nachdem wir die Berge überquert hatten. Die erste Stadt, in der wir ankamen war Kaswin, wo uns die schöne Architektur überraschte.
Von Kaswin radelten wir unseren ersten Tag mit >100km nach Karadsch, einer Stadt im Umland von Teheran. Wir hatten gehört, dass der Straßenverkehr nach Teheran grauenvoll ist, also fanden wir einen Warmshowers-Gastgeber in Karadsch, der sich bereiterklärte, unsere Fahrräder und den Großteil unseres Gepäcks für ein paar Tage aufzubewahren, während wir mit der Metro in die Stadt fuhren. Der Hauptgrund unseres Besuchs in Teheran war es, die Visa für Turkmenistan zu beantragen - man hatte uns gesagt, dass es dort keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten gäbe, so dass wir für die Stadt nicht so viele Tage einplanten. Rückblickend hätten wir wahrscheinlich gut ein oder zwei Tage mehr in dieser weitläufigen, geschäftigen und staubigen Metropole verbringen können.
Der Azadi-Turm, ein Wahrzeichen Teherans
Ein immer wiederkehrender Eindruck der ersten zehn Tage in diesem Land war die überwältigende Neugierde der Menschen, so dass wir uns oft fühlten wie in einem Safaripark, in dem wir die freilaufenden Tiere sind und die Besucher in ihren Autos herumfahren, uns beobachten, Fotos mit uns machen und uns gelegentlich füttern. Während uns die meisten dieser Begegnungen Spaß machen, wird es manchmal etwas viel und wir spüren das Verlangen, uns gelegentlich in einer Höhle einem Hotelzimmer zu verstecken um uns zu erhohlen.