Da wir komplett vermeiden wollten, im Teheraner Straßenverkehr zu radeln, beschlossen wir, aufgrund der Empfehlung unseres Gastgebers in Karadsch, mit dem Bus von Karadsch nach Qom zu fahren. Die Wüste fängt mehr oder weniger direkt südlich von Teheran an, und es klang wenig verlockend, bei dem hohen Verkehrsaufkommen auf der heißen und staubigen Straße zu radeln, also haben wir hier abgekürzt.
Qom wird als die religiöse Hauptstadt des Irans betrachtet und ist das größte Zentrum für schiitische Religionswissenschaft weltweit. Das Hauptheiligtum der Stadt ist der Schrein der Fatima Masuma, zu dem jedes Jahr tausende schiitische Muslime aus dem Iran und aus aller Welt pilgern. Nichtmuslimische Ausländer können die Stätte nur mit einem freiwilligen Führer (die hinter dem Eingang warten) betreten und unser Führer war ein muslimischer Theologiestudent aus Thailand, der seit neun Jahren in Qom studiert.
Glücklicherweise fanden wir auch einen Couchsurfer, der uns durch die Stadt fuhr und einige der weiteren Sehenswürdigkeiten zeigte. Während wir in der Stadt unterwegs waren, erzählte er so viele verrückte Geschichten über das Leben als nichtreligiöser Mensch in einer der heiligsten Städte der Welt. Zumindest fühlten wir uns mit ihm mehr normal, da Qom sehr konservativ und merkwürdig einheitlich ist - fast alle Frauen tragen Chador und viele Männer tragen Mullahkleidung und wir fielen noch mehr als sonst auf und fühlten uns mehr beobachtet als je zuvor.
Von Qom radelten wir weiter nach Kashan, einer Stadt am Rande der Marandschab-Wüste. Wir wussten vorher nicht viel über diese Stadt und waren dann von der großen Zahl von Touristen überrascht, auch wenn wir jetzt wissen, dass sie ein beliebter Zwischenstopp zwischen Teheran und Isfahan ist. Die meisten Touristen kommen, um die schönen Gärten und die historischen Häuser zu besichtigen und auch, um einen Abstecher in die Wüste zu unternehmen, und das ist auch, was wir gemacht haben.
Tabatabaei-Residenz, ein historisches Haus in Kashan
Zusammen mit unserem Couchsurfing-Gastgeber und einem weiteren Gast, den er zeitgleich aufgenommen hatte, unternahmen wir eine Wüstentour. Zu unserer Überraschung war dieser weitere Gast derselbe Argentinier, den wir zuerst bei unserer kostenlosen Stadtführung in Baku und dann bei der turkmenischen Botschaft in Teheran getroffen hatten! Wir sind in einem Allradfahrzeug mit einem verrückten Fahrer in die Wüste gefahren und haben dort eine Menge Zeit auf den Sanddünen und auf dem Namak-See, einem Salzsee, der größtenteils ausgetrocknet ist (also eine Salzebene), es sei den es hat gerade geregnet.
Sanddünen der Marandschab-Wüste und Aussicht auf den Namak-Salzsee in der Nähe von Kashan
Nachdem wir spät am Abend aus der Wüste zurück waren, konnte uns unser Couchsurfing-Gastgeber nicht länger beherbergen, so dass wir die Nacht im Stadtpark von Aran va Bidgol verbrachten. Wir hatten viele Berichte gelesen, dass Zelten in Stadtparks "einfach" ist - es gibt Toiketten und manchmal sogar einen Wachmann für die Sicherheit. Unsere Erfahrung war dann aber eine andere. Die meisten Iraner schlafen ziemlich spät und wenn wir bei jemandem zuhause übernachten ist es normal, Abendessen gegen 21 oder 22 Uhr zu essen und dass die Kinder genausolange wach sind wie die Eltern, üblicherweise bis nach Mitternacht. Also waren auch im Park noch viele Leute beim Picknicken und Spazierengehen und die Kinder waren noch auf dem Spielplatz am Toben, als wir um 23:30 unser Zelt aufbauten. Es war einfach zu laut und zu viel los, als dass wir einschlafen konnten, besonders, da immer das Risiko bestand, dass jemand sich mit uns unterhalten wollen würde, falls wir entdeckt würden. Dies, und die Tatsache, dass uns die Sonne und die frühen Parkbesucher am nächsten Morgen aufwecken würden sorgten für unzureichenden Schlaf in dieser Nacht.
Von Kashan nahmen wir eine kleine Nebenstraße nach Zavareh, am Rand der Wüste entlang. Wir wurden zwei Tage lang mit starkem Rückenwind verwöhnt und während wir die Straße entlangsausten, wurde die Landschaft um uns herum mehr und mehr wüstenartig, überall wuchsen Steppenläufer und der Wind wehte den Sand in Wellen über die Straße.
Radfahren im Sandsturm in der Wüste zwischen Kashan and Badroud
Unterwegs haben wir eine Nacht im Matin Abad Wüsten-Eco-Resort verbracht, wo wir uns ein Luxuszelt (~20€ für Unterkunft + Abendessen + Frühstück) gegönnt haben. Das Resort vermarktet sich selbst mit seiner nachhaltigen Bewirtschaftung und obwohl wir die Details nicht kennen, waren wir angenehm überrascht, dass das Dinner-Buffett größtenteils vegetarisch war, mit nur einem Fleischgericht, dass sorgsam von einem Angestellten rationiert wurde. Dies war ein starker Kontrast zur normalerweise hier vorherrschenden Fleischkultur. Außerdem waren wir am Wochenende da, das Resort war voll mit einheimischen Touristen (wahrscheinlich größtenteils aus Teheran), und es war interessant zu beobachten, wie die islamischen Kleidungsvorschriften für viele Frauen im Urlaub in der Wüste lockerer werden (das Kopftuch ist verzichtbar, aber es gibt immer irgendeine Kopfbedeckung wie z.B. einen Hut).
Zavareh ist eine kleine, traditionelle Wüstenstadt, deren Besuch uns unsere Gastgeber in Teheran empfohlen hatten. Wir rollten in die Stadt ohne zu wissen, was wir zu erwarten hatten, und setzten uns zum Mittagessen an einem Karawanserei-ähnlichen Parkplatz neben einen Mann, der der Wachmann zu sein schien. Wie üblich kamen mehrere Leute vorbei, um mit uns auf Persisch zu reden irgendwann holte jemand einen großen Schlüsselbund hervor und sagte, dass er uns die wichtigsten Moscheen zeigen könnte (wer hätte gedacht, dass Moscheen verschlossen sein würden?). Wir folgten ihm und versuchten, seine Erläuterungen per Google-Übersetzer zu verstehen. Wie der Zufall es wollte, trafen wir am Eingang zur ersten Moschee ein Paar aus Isfahan, das sich unserer "Tour" anschloss. Sie halfen uns mit Übersetzungen, während wir zusammen die Pa-Minar-Moschee und die Große Moschee besichtigten. Der Schlüsselträger empfahl uns dann noch ein paar weitere Orte in der Altstadt, die wir zusammen mit dem Paar aus Isfahan besuchten. Auf dem Weg zurück zu ihrem Auto trafen wir einen weiteren Mann, der sagte, dass er uns ein interessantes Gebäude zeigen könnte. Wir folgten ihn zu einem schönen, traditionellen Haus, das von seinem Großvater gebaut wurde und in dem einige seiner Verwandten noch immer leben. Was für eine Tour!
Von Zavareh kämpften wir uns durch den starken Gegenwind die 10km kurze Strecke nach Ardestan, wofür wir zwei Stunden brauchten. In Ardestan erforschten wir den Qanat von Mun, einen einzigartigen Qanat, oder unterirdischen Wasserkanal, der Wasser aus den Bergen in die Wüstengebiete leitet. Da wir nicht weiter gegen den starken Wind ankämpfen wollten, nach einer weiteren Camping-Nacht in einem Stadtpark völlig erschöpft waren und dringend eine mentale Pause brauchten, checkten wir in das einzige Hotel der Stadt ein und blieben dort für drei Nächte.
Im Qanat von Mun in Ardestan, dem einzigen Qanat weltweit mit zwei Ebenen
Nach dieser ungeplanten, aber sehr erholsamen Pause waren es nur noch zwei Tage über ein paar Berge nach Isfahan. Aber nur 50km vor Isfahan bekam Hannah starke Bauchschmerzen und konnte nicht mehr weiter radeln. Glücklicherweise haben wir direkt gegenüber eines Straßenbaustellen-Betriebshof angehalten und einige der dort arbeitenden Manager luden uns ein, bei Ihnen Pause zu machen. Letztendlich hatten wir auch Mittagessen dort (hauptsächlich Heiko) und dann nahmen sie uns sogar im Auto mit nach Isfahan.
Wir hatten nicht erwartet, schon auf dem Weg nach Isfahan so viel zu erleben und die Leute im Iran sagen "Isfahan ist die halbe Welt", also lassen wir das besser für den nächsten Blog-Eintrag.
Wüstenblumen und Berge entlang der Straße von Ardestan nach Isfahan