Als wir am Fluss Pandsch ankamen, hatten wir gehofft, dass die schlimmste Hitze erstmal vorüber sein würde, da das Tal vom Fluss gekühlt und wir nach und nach an Höhe gewinnen würden. Es blieb jedoch heiß, und obwohl der Straßenbelag zu Anfang perfekt glatt war, führte die Straße selbst stets auf und ab und uns wurde bald klar, dass wir unseren ursprünglichen Plan nicht halten können würden. Nichtsdestotrotz machten die abwechslungsreichen Aussichten auf die beeindruckenden, steilen Berge auf beiden Seiten des Tales und der geringe Verkehr auf der Straße dies wieder wett. Die Landschaft war plötzlich so krass anders als alles, was wir bisher auf dieser Reise gesehen hatten und wir realisierten, dass wir im Pamir angekommen waren.
Berglandschaft entlang des Flusses Pandsch auf dem Weg nach Qalai Khumb
Es war sehr interessant, die Leute auf der anderen Seite des Flusses, in Afghanistan, zu beobachten. Ihre Dörfer waren deutlich ärmer als die auf der tadschikischen Seite, oft ohne Strom und die Menschen waren hauptsächlich zu Fuß, auf Eseln oder auf Motorrädern unterwegs oder kümmerten sich um ihre Felder. Einige von ihnen winkten uns zu, wenn sie uns am anderen Flussufer entdeckten und wir winkten zurück. Wir hatten keine Sorgen, dass die Taliban nachts über das Wildwasser kommen würden, um uns zu holen.
Fußballplatz auf der afghanischen Seite des Flusses Pandsch
Die einzigen "Terroristen", mit denen wir zu tun hatten, waren die Kinder in den tadschikischen Dörfern. Sobald sie uns entdeckt hatten, kamen sie in Gruppen auf uns zugerannt, brüllten ohne Pause "Hello" und Fragen oder positionierten sich auf der Straße, um uns abzuklatschen (und sich dabei zu oft gefährlicherweise an der Hand festzuklammern). Wenn sie uns während einer Pause fanden, würden einige sich neben uns setzen und uns beim Essen beobachten, während andere überall an unseren Fahrrädern herumfummeln würden oder schlimmer, Steine auf uns werfen würden. Uns ist klar, dass andere Leute solches Verhalten harmlos oder sogar niedlich finden mögen (außer dem Steinewerfen), aber wir fanden es wirklich unerklärlich nervig. Während wir versuchten und dabei scheiterten, den Kindern aus dem Weg zu gehen (es sind Schulferien und sie sind überall), fühlten wir uns mehr und mehr von ihnen terrorisiert - unsere Alarmglocken schrillten, sobald wir merkten, dass wir entdeckt worden waren, und wir hatten wirklich brutale Ideen, wie wir sie loswerden könnten (die wir euch hier ersparen - so lange ihr uns nicht fragt, ob wir selbst Kinder haben wollen). Glücklicherweise nahm dieses Problem langsam ab, je weiter wir in den Pamir fuhren.
Während wir nach einem geeigneten Zeltplatz für unsere erste Nacht am Pandsch Ausschau hielten, waren wir leicht beunruhigt, als wir unsere Wasserflaschen an einem kleinen Bach auffüllten und plötzlich zwei Soldaten aus dem Gebüsch hervorkamen. Dieser Grenzabschnitt wird sehr stark patroulliert und wir hatten mehrere Berichte anderer Reisender gelesen, die vom Militär von ihren Übernachtungsplätzen verscheucht wurden. Glücklicherweise fanden wir einen versteckten Ort für die Nacht. Die nächsten Tage, den ganzen Weg nach Khorugh, trafen wir regelmäßig auf Soldaten, welche die Straße entlang patroullierten, immer in Dreiergruppen, manchmal mit einem Hund. Wir fuhren immer mit einem freundlichen Nicken oder Gruß an ihnen vorbei und hatten nie irgendwelche Probleme.
Berglandschaft entlang des Flusses Pandsch auf dem Weg nach Qalai Khumb
Am nächsten Tag fanden wir ein Restaurant, dass auch zwei kleine Schlafsäale und eine Dusche hatte und sich hauptsächlich an LKW-Fernfahrer zu richten schien, die irgendwo übernachten mussten. Für ungefähr 1,5€ pro Person war die Übernachtung unglaublich günstig, und nach zwei Nächten in Folge im Zelt (und auf dem Rad in der Hitze), waren wir froh über die Dusche. Wir aßen auch beide je zwei gute Portionen Abendessen im Restaurant, bevor es Zeit zum Schlafen war.
Als wir in Qalai Khumb, dem ersten, größeren Dorf im Pamir, eintrafen, waren wir schon zwei Tage hinter unserem ursprünglich Zeitplan von Duschanbe - nach einem Krankheitstag in Vose und einem Extra-Fahrtag am Pandsch. Ca. 25km vor Qalai Khumb verwandelte sich die perfekte Asphaltstraße abrupt in eine holprige Schotterpiste und von zwei entgegenkommenden Radfahrern erfuhren wir, dass es für eine Weile so bleiben würde. Daher überdachten wir unsere Route nochmal. Bei unserer aktuellen, langsameren Geschwindigkeit würden wir alle unsere Visumstage benötigen, um wie geplant durch das Wakhan-Tal zu fahren, wo die Straßenverhältnisse nochmal schlechter sein sollen, mit vielen sandigen Stellen, an denen Radfahrer schieben müssen. Der Mangel an Puffertagen für mögliche Verzögerungen erschien uns sowohl stressig als auch riskant, und nach all den (manchmal Schnerzhaften) Buckeln der Straße war uns nicht mehr so sehr nach unnötigen Offroad-Touren. Daher beschlossen wir, auf das Wakhan-Tal zu verzichten und stattdessen den Haupt-Pamir-Highway von Khorugh nach Murghab zu nehmen.
Berglandschaft entlang des Flusses Pandsch auf dem Weg nach Qalai Khumb
Unser Hostel in Qalai Khumb war schön direkt am (mit einer Terasse teilweise über dem) Fluss Khumb gelegen, der im Dorf in den Pandsch fließt. Der Fluss war schnell und wild und hatte einen kühlenden Effekt auf das Hostel. Das extrem laute Rauschen machte es jedoch schwer, sich zu unterhalten. Wir trafen dort eine lose Gruppe aus vier Radlern, die alle in unserer Richtung unterwegs waren, aber sie fuhren schneller als wir und wir sahen sie nicht wieder. Nachdem wir einige Berichte aus dem Vorjahr gelesen hatten, denen nach mehr Fahrräder als andere Fahrzeuge im Pamir unterwegs sein sollten, waren wir überrascht, wie wenige Radler wir bisher getroffen hatten. Noch überraschender war, dass wir auf dem Abschnitt zwischen Qalai Khumb und Rushon keinem einzigen Radreisenden begegnet sind, da alle diese Strecke fahren müssen, egal welche Route sie durch den Pamir nehmen. Es scheint, als ob der Terroranschlag letztes Jahr einen großen Einfluss auf die Zahl der Radfahrer dieses Jahr hatte, auch wenn es hier jetzt in Wirklichkeit wahrscheinlich viel sicherer ist als zuvor.
Unser Hostel in Qalai Khumb, direkt am schnell fließenden Khumb, einem Zufluss des Pandsch
Wir waren ziemlich schockiert, als wir die Hostel-Familie dabei beobachteten, wie sie ihre Mülleimer (einschließlich allem Müll der Gäste) einfach direkt in den Fluss entleerten. Leider scheint dies in den Dörfern der Normalfall zu sein, und nur die Provinzhauptstadt Khorugh scheint eine Art von Abfallwirtschaft zu haben. Toiletten, sofern es sie überhaupt gibt, scheinen sich oft auch in den Fluss anstatt in sichere Faulgruben zu entleeren. Als wir dies erkannt hatten, waren wir ziemlich beunruhigt, aber ohne machbare Alternative für unseren eigenen Abfall (geschweige denn für den all der Dörfer), ist das einzige, was wir tun können, zu versuchen, selbst weniger Müll zu produzieren (leichter gesagt als getan) und zu akzeptieren, dass das, was wir wegwerfen, irgendwann womöglich in Usbekistan endet, wo der Pandsch auf dem Weg zum Aral-(ehemals)-See austrocknet.
Nach einem dringend notwendigen Pausentag in Qalai Khumb, machten wir uns wieder auf den Weg Richtung Süden, immer noch dem Pandsch entlang auf der holprigen Straße nach Khorugh. Die Straße war bestenfalls ein Flickenteppich aus einigen glatten Abschnitten zwischen grobem Schotter oder schlecht ausgebessertem Asphalt. Wir konnten kaum die Landschaft ansehen, da wir ununterbrochen auf die Straße gucken mussten. Einige Gegenden, durch die wir kamen, waren ziemlich dünn besiedelt und es war nicht immer leicht, Essen zu finden. Einmal stellte sich das Brot, das wir für unser Mittagessen gekauft hatten, als schimmelig heraus und es gab für eine so lange Zeit keinen anderen Laden, dass wir am Ende ziemlich hungrig, genervt und gestressed waren, als wir endlich ein ziemlich einfaches Restaurant fanden, wo wir etwas essen konnten. Immerhin fanden wir zwei schöne Zeltplätze für die ersten beiden Nächte, hoch über dem Fluss und versteckt vor dem Straßenverkehr, mit Aussicht über afghanische Dörfer, wo wir das Leben beobachten konnten und ein paar Spionagephotos von Afghanen gemacht haben.
Die Berglandschaft entlang des Pandsch zwischen Qalai Khumb und Khorug
Dorfleben in Afghanistan in den Bergen entlang des Pandsch zwischen Qalai Khumb und Khorug
Wieder einmal sehnsüchtig nach einer Dusche, hielten wir am nächsten Tag nach einer Unterkunft Ausschau, aber die "Pension", die auf unserer Karte eingetragen war, entpuppte sich als das Zuhause einer netten Familie, die am Straßenrand ein beliebtes Restaurant betrieb. Ihr Haus hatte weder Dusche noch Toilette, aber wir blieben dennoch und wuschen uns wie die Einheimischen - draußen mit einem Eimer, mehr oder weniger in der Öffentlichkeit. Danach aßen wir drei Portionen Abendessen im Restaurant, bevor wir uns in das komfortable Gästezimmer ihres traditionellen, pamirischen Hauses zurückzogen.
Zwei Tage später kamen wir endlich in Khorugh an, noch einen weiteren Tag hinter unserem ursprünglichen Zeitplan, den wir nun glücklicherweise aber angepasst hatten. Wenn ihr glaubt, Langzeit-Reisen sei einfach und entspannend - so ist es nicht (nicht immer). Oft gibt es irgendein größeres Problem zu lösen - Fahrradreparaturen, Krankheit - aber es sind die kleinen, alltäglichen Dinge, die uns langsam erschöpfen. Auf dem Fahrrad sind wir nicht nur den Elementen ausgesetzt, sondern auch den Menschen, da wir so langsam fahren, dass sie mehr Zeit haben, um mit uns zu interagieren, ob wir wollen oder nicht (wenn man auf irgendeinem Fahrzeug mit Motor unterwegs ist, ist es während der Fahrt praktisch unmöglich für jemanden an der Straße, ein Gespräch anzufangen - und hier spielen sich 90% unserer Begegnungen ab). Es kann sehr interessant sein, Einheimische zu treffen, aber wir sind beide introvertiert und die bloße Zahl an Kontakten jeden Tag (seit der Ankunft im Iran) ist einfach weit jenseits unserer Grenzen. Dazu kommt noch das Radfahren selbst und die tägliche Herausforderung, genug Essen und einen guten Platz zum Schlafen zu finden, was dazu führt, dass wir physisch und psychisch erschöpft sind und alle paar Tage dringend eine Pause brauchen.
Manchmal holt uns die Erschöpfung ein und wenn wir endlich eine Pause machen, werden wir krank - genau was Heiko in Khorugh passiert ist, wo er lange Durchfall hatte und wir unseren Aufenthalt von zwei auf sechs Nächte verlängern mussten. Glücklicherweise war die Pension, die wir gebucht hatten gut für einen längeren Aufenthalt, mit einem gemütlichen Zimmer (mit Moskitonetzen an den Fenstern und Verdunkelungsrollos gegen den frühen Sonnenaufgang - zwei Dinge, die wir in vielen Unterkünften bisher vermisst hatten) und einer voll ausgestatteten Küche, in der wir unsere eigenen Mahlzeiten zubereiten konnten. Mit seiner Lage auf 2100m Höhe war Khorugh für uns auch soetwas wie ein Basislager, bevor wir in den Hohen Pamir hinauffahren und die Auswirkungen der Höhe spüren würden, also wollten wir das Ende der Krankheit unbedingt abwarten und für den nächsten Aufstieg fit sein. Da es außerdem die letzte große Stadt für eine Weile sein würde, stockten wir auch unsere Vorräte mit Lebensmitteln auf, die höher in den Bergen schwer erhältlich sein würden.
Gemüseverkäuferin auf dem Basar von Khorugh, die gegen die Hitze ein Kohlblatt auf dem Kopf trägt
Einheimische verbringen einen warmen Samstagnachmittag am Schwimmbecken des Stadtparks von Khorugh
Gut erholt und gut ausgestattet, verließen wir schließlich den Pandsch und die afghanische Grenze und folgten der M41 entlang des Flusses Gunt in den Hohen Pamir.